Süßstoff-Wissen – Häufige Irrtümer
Irrtum – Süßstoffe verändern die Darmflora
Korrekt ist: Süßstoffe machen nur einen kleinen Teil unserer Ernährung aus. Schon deshalb ist ein Einfluss auf das Mikrobiom eher unwahrscheinlich. Zudem gelangen nicht alle Süßstoffe bis in den Darm, viele werden schon vorher in ihre Bestandteile zerlegt oder bereits über die Nieren ausgeschieden.
Unsere Süßstoff-Expertin Anja Roth erklärt in diesem Video, was dran ist an dem Mythos, dass Süßstoffe dem Körper schaden sollen.
Das zeigt eine Übersichtsarbeit der Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology deutlich auf und wurde auch durch eine weitere Übersichtsarbeit Anfang 2019 bestätigt. Die Forscher kamen jeweils zu dem Schluss, dass weder die Israel-Studie noch andere vorliegende Studien einen eindeutigen Beweis für eine nachteilige Wirkung von Süßstoffen auf das menschliche Darmmikrobiom liefern.
Menschen sind keine Ratten
Die Autoren untersuchten 17 bzw. 18 relevante primäre Forschungsartikel, in denen die Wirkung der Süßstoff-Aufnahme auf das Darmmikrobiom untersucht wurde. Die meisten davon waren Tierversuche, hauptsächlich mit Nagetieren. Nur drei Studien wurden mit Menschen durchgeführt. Tiere sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht mit Menschen gleichzusetzen, da sie andere Darmbakterien besitzen. Darüber hinaus wurden den Tieren extrem hohe Süßstoffmengen verabreicht.
Studien am Menschen berücksichtigen nicht die Gesamtnahrungsaufnahme
In den drei Untersuchungen am Menschen berücksichtigten die Wissenschaftler nicht, was die Testpersonen insgesamt über den Tag an Nahrung zu sich genommen hatten. Die Veränderungen des Darmmikrobioms alleine auf Süßstoffe zurückzuführen ist deshalb nicht zulässig.
Nicht jeder Süßstoff landet im Darm
Ein weiteres Argument, das die Forscher anführen, ist, dass einige Süßstoffe bereits vor dem Eintritt in den Darm aufgespalten werden oder erst gar nicht in den Darm gelangen.
Süßstoffe haben keinen Einfluss auf das Mikrobiom
Akutelle Studien beschäftigten sich mit der Wirkung von Aspartam, Sucralose und Saccharin auf das Darmmikrobiom.
Auswirkungen von Aspartam und Sucralose auf die Darmflora
Eine Studie aus 2020 (1) zeigt, dass weder Aspartam noch Sucralose einen Einfluss auf das Darmmikrobiom haben. Bei dieser Studie wurden 17 gesunde Personen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren und einem Body-Mass-Index von 20-25 einbezogen. Die Probanden unterzogen sich je zwei 14-tägigen Behandlungsperioden in denen sie jeweils eine standardisierte Dosis von 14 % (0,425 g) des ADI-Wertes für Aspartam und 20 % (0,136 g) des ADI-Wertes für Sucralose bekamen. Fäkalproben, die vor und nach der Behandlung gesammelt wurden, wurden auf das Mikrobiom und kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) analysiert. Dabei fanden sich keine Unterschiede in den medianen relativen Anteilen der häufigsten bakteriellen Taxa (Familie und Gattung) vor und nach der Behandlung mit beiden Süßstoffen. Die Struktur der Mikrobiota-Gemeinschaft wies ebenfalls keine offensichtlichen Unterschiede auf. Es gab auch keine Unterschiede in den fäkalen kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs). Ein täglicher und wiederholte Konsum von reinem Aspartam oder Sucralose in Dosen, die den typischen Konsum widerspiegeln, zeigte demnach nur minimale Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Darmmikrobiota oder die SCFA-Produktion.
Saccharin: Auswirkungen auf das Mikrobiom
Eine in 2021 in der Zeitschrift Mikrobiome veröffentlichte doppelblinde, placebokontrollierte, parallel Studie (2) beschäftigt sich mit den Auswirkungen einer reinen Saccharinverbindung auf die Darmmikrobiota und die Glukosetoleranz bei gesunden Männern und Frauen. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip auf Placebo, Saccharin, Lactisol (hemmt bei Menschen die Aktivierung des Rezeptors für Süßgeschmack) oder Saccharin mit Lactisol aufgeteilt. Um die maximal zulässige Tagesdosis für 2 Wochen zu erreichen, wurden die Proben zweimal täglich verkapselt verabreicht. Parallel dazu wurde eine 10-wöchige Studie an Mäusen durchgeführt. Weder bei den Menschen noch bei den Mäusen beeinflussten die Interventionen die Glukose- oder Hormonreaktionen auf einen oralen Glukosetoleranztest (OGTT) oder die Glukoseabsorption bei Mäusen. Ebenso gab es keine durch die Saccharin-Supplementierung Änderung der mikrobiellen Diversität oder Zusammensetzung sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen. Es wurden auch keine Behandlungseffekte bei Messwerten der mikrobiellen Aktivität wie fäkalen Metaboliten oder kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) festgestellt. Die Autoren schlussfolgern daher: ein kurzfristiger Saccharinkonsum in maximal akzeptablen Mengen ist nicht ausreichend, um die Darmmikrobiota zu verändern oder Glukoseintoleranz bei scheinbar gesunden Menschen und Mäusen zu induzieren.
Quellen:
(1) Samar Y Ahmad, James Friel, Dylan Mackay (2020)
(2) Joan Serrano, Kathleen R. Smith, et al. (2021)