Süßstoffe sind keine Gefahr für das Herz

Süßstoffe sind keine Gefahr für das Herz

Die aktuelle Studienlage gibt keine Hinweise darauf, dass Süßstoffe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen oder erhöhen können. Dies bestätigen auch aktuelle Übersichtsarbeiten im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (1). Auch in der ausführlichen Stellungnahme der American Heart Association und der Diabetes Association aus dem Jahr 2018 (2) findet sich kein Hinweis auf eine „Gefahr“ von Süßstoffen für das Herz. Im Gegenteil, die Experten empfehlen sogar, zuckergesüßte Getränke durch süßstoffgesüßte zu ersetzen, um Kalorien einzusparen.

Eine neue Studie von Sun, Y. et al. (3) hat nun einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Konsum von gesüßten Getränken und dem Risiko für Vorhofflimmern untersucht. Ein Ergebnis der Studie ist, dass Personen, die zwei oder mehr Liter kalorienarm oder kalorienfrei gesüßte Getränke pro Woche konsumieren, ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern haben. Doch warum kommt diese Studie zu anderen Ergebnissen als die systematischen Risikoüberprüfungen? Die Antwort liefert der Blick auf das Studiendesign.

Vorhofflimmern durch süßstoffgesüßte Getränke? Darum ist bei Beobachtungsstudien Vorsicht geboten

Bei der Studie von Sun, Y. et al. handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie, also um eine Beobachtungsstudie. Es liegt in der Natur von Beobachtungsstudien, dass sie keinen kausalen Zusammenhang nachweisen können. Vielmehr besteht die Gefahr einer umgekehrten Kausalität. Das bedeutet zum Beispiel, dass Menschen, die übergewichtig sind oder an Bluthochdruck, Hypercholesterinämie oder Diabetes leiden, häufiger zu zuckerreduzierten oder zuckerfreien Getränken greifen, um ihre Zucker- und Kalorienaufnahme zu reduzieren – und nicht, dass die Wahl dieser Getränke das Risiko für eine der genannten Erkrankungen erhöht.

Auch in der vorgelegten Beobachtungsstudie deutet der höhere Konsum von süßstoffgesüßten Getränken bei Probanden mit Übergewicht oder Typ-2-Diabetes auf eine umgekehrte Kausalität hin.

Fehleranfälliges Studiendesign: Erinnerungsfehler, Verzerrungen und zehn Jahre alte Selbstauskünfte

Beobachtungsstudien eignen sich demnach nicht dafür, eine wirkliche Kausalität nachzuweisen. Auch die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Ergebnisse nicht ausreichen, um den behaupteten Zusammenhang zu belegen. Sie räumen auch ein, dass die Studienergebnisse durch Erinnerungsfehler oder Verzerrungen seitens der Probanden beeinflusst sein könnten. Eine weitere große Schwäche der Studie: Die Selbstauskünfte, auf denen die Studienergebnisse beruhen, wurden nur zu Beginn der Studie erhoben und in den folgenden rund zehn Jahren nicht aktualisiert. Veränderungen in der Ernährung wurden daher nicht berücksichtigt.

Um einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen, sind andere Studiendesigns wie randomisierte kontrollierte Studien erforderlich. Umfangreiche Untersuchungen zeigen, dass es keinen plausiblen Mechanismus gibt, durch den Süßstoffe beim Menschen Herzerkrankungen verursachen könnten (4).

Kardiometabolische Risikofaktoren reduzieren: So können kalorienfrei gesüßte Getränke unterstützen

Ein wichtiger Faktor zur Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Normalisierung des Körpergewichts. Kalorienfrei gesüßte Getränke können dazu beitragen, das Körpergewicht und damit kardiometabolische Risikofaktoren zu reduzieren, wenn sie zuckergesüßte Getränke in der Ernährung ersetzen. Ihr Nutzen ist sogar mit dem von Wasser vergleichbar. Das haben Experten der Diabetes and Nutrition Study Group (DNSG) der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) festgestellt (5). Dazu haben die Ernährungs- und Diabetesexperten alle verfügbaren Studien zu den Auswirkungen von kalorienarmen oder kalorienfreien gesüßten Getränken auf das Gewicht und kardiometabolische Risikofaktoren gesichtet und analysiert.

Quellen:

(1)
Lohner, S., Toews, I., & Meerpohl, J. J. (2017). Health outcomes of non-nutritive sweeteners: analysis of the research landscape. Nutr J 2017; 16(1): 55
Toews I, Lohner S, Küllenberg de Gaudry D, Sommer H, Meerpohl JJ. Association between intake of non-sugar sweeteners and health outcomes: systematic review and meta-analyses of randomised and non-randomised controlled trials and observational studies. BMJ 2019;364:k4718
(2)
Rachel K. Johnson, Alice H. Lichtenstein, Cheryl A.M. Anderson, Jo Ann Carson, Jean-Pierre Després, Frank B. Hu, Penny M. Kris-Etherton, Jennifer J. Otten,Amytis Towfighi, Judith Wylie-Rosett (2018). Low-Calorie Sweetened Beverages and Cardiometabolic Health: A Science Advisory From the American Heart Association. Circulation. 2018;138:e126–e140
(3)
Sun Y, Yu B, Yu Y, Wang B, Tan X, Lu Y, Wang Y, Zhang K, Wang N. Sweetened Beverages, Genetic Susceptibility, and Incident Atrial Fibrillation: A Prospective Cohort Study. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2024 Mar 5:e012145. doi: 10.1161/CIRCEP.123.012145. Epub ahead of print. PMID: 38440895.
(4)
Pyrogianni V, La Vecchia C. Letter by Pyrogianni and La Vecchia Regarding Article, “Artificially Sweetened Beverages and Stroke, Coronary Heart Disease, and All-Cause Mortality in the Women’s Health Initiative”. Stroke; 2019 Jun;50(6):e169. doi: 10.1161/STROKEAHA.119.025555.
(5)
McGlynn ND, Khan TA, Wang L, et al. Association of Low- and No-Calorie Sweetened Beverages as a Replacement for Sugar-Sweetened Beverages With Body Weight and Cardiometabolic Risk: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Network Open 2022; 5(3):e222092

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Anja RothÖFFENTLICHKEITSARBEIT DEUTSCHLAND

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