Erhöht Xylit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Neue Xylit-Studie: Ergebnisse lassen sich nicht auf den realen Konsum übertragen

Eine aktuelle Studie zum Zuckeraustauschstoff Xylit sorgt derzeit für Aufregung in den Medien. Die im „Europe Heart Journal“ veröffentlichte Studie (1) hat den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Xylit und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine sehr hohe Xylit-Aufnahme das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen könnte. In den Medien heißt es dann schnell: „Süßstoff Xylit verursacht Herzprobleme“. Schlagzeilen wie diese spiegeln jedoch nicht die Aussagekraft der Studie wider und bezeichnen den Zuckeraustauschstoff auch noch fälschlicherweise als Süßstoff.

Wichtige Unterscheidung: Xylit ist kein Süßstoff, sondern ein Zuckeraustauschstoff

Richtig ist: Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe bilden zusammen die Kategorie der Süßungsmittel, aber es gibt große Unterschiede.
Sehr häufig werden Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Erythrit oder auch Xylit mit Süßstoffen verwechselt. Zuckeraustauschstoffe, auch Zuckeralkohole, Polyole oder mehrwertige Alkohole genannt, sind im Gegensatz zu den praktisch kalorienfreien Süßstoffen Energielieferanten. Sie sind etwas weniger oder etwa gleich süß wie Zucker und haben etwa halb so viele Kalorien. Eine Ausnahme ist hier das Erythrit, das wie Süßstoffe keine Kalorien liefert. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Süßungsmitteln: Zuckeraustauschstoffe wirken bei übermäßigem Verzehr abführend und müssen entsprechend gekennzeichnet werden. Süßstoffe haben hingegen keine verdauungsfördernde Wirkung.

Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe gehören zu den Lebensmittelzusatzstoffen. Als solche werden sie in einem mehrjährigen Zulassungsverfahren einer umfassenden Sicherheitsbewertung unterzogen. Dabei werden alle Aspekte untersucht, die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben können. Erst wenn feststeht, dass ein Zusatzstoff unbedenklich ist, wird er zugelassen. Auch nach der Zulassung werden Zusatzstoffe regelmäßig überprüft, damit die Bewertung immer den neuesten Erkenntnissen entspricht.

Schwächen der Xylit-Studie: Beobachtungsstudien mit fraglicher Probandenauswahl

Im Rahmen der aktuellen Xylit-Studie haben die Forscher verschiedene Untersuchungsmethoden angewandt, die jedoch nicht ausreichen, um einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Xylit und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachzuweisen. So beruhen die Ergebnisse der Untersuchungen unter anderem auf einer Beobachtungsstudie. Es liegt jedoch in der Natur dieser Studien, dass sie keine Ursache-Wirkung-Beziehung nachweisen können. Vielmehr besteht die Gefahr einer umgekehrten Kausalität.

Diese Gefahr ist bei der vorliegenden Studie besonders hoch, da auch Personen teilgenommen haben, die bereits ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse aufwiesen. Dies könnte zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben. Denn diese Studienteilnehmer*innen waren unabhängig von ihrem Xylit-Konsum anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Untersuchungsmethoden lassen sich nicht auf den realen Xylit-Verzehr übertragen

Darüber hinaus führten die Forscher verschiedene Laboruntersuchungen durch, darunter auch eine In-vitro-Untersuchung von Blutproben. Solche Untersuchungen im Reagenzglas sind jedoch nicht in der Lage, die Komplexität des menschlichen Körpers und seiner physiologischen Reaktionen realistisch zu simulieren. Dies gilt ebenfalls für den durchgeführten Mausversuch, bei dem die Forscher das Xylit direkt in die Blutbahn der Tiere injizierten.

Auch die vorgenommene Interventionsstudie, bei der die Versuchspersonen angewiesen wurden, innerhalb von 2 Minuten 300 ml einer Flüssigkeit mit 30 g Xylit zu sich zu nehmen, entspricht weder einer realistischen Menge noch einem normalen Verzehr. Des Weiteren ist hier zu berücksichtigen, dass die Aufnahme von Flüssigkeiten wesentlich schneller erfolgt als die von festen Lebensmitteln. Die Verwendung von Xylit in Getränken ist in der EU jedoch nicht zugelassen (2).

Studienergebnisse stehen im Gegensatz zur langjährigen Forschung zur Sicherheit von Xylit

Die Sicherheit des Zuckeraustauschstoffes Xylit wurde unter Berücksichtigung der vorgesehenen Anwendungsbedingungen in zahlreichen Studien an Menschen und Tieren nachgewiesen. Die aktuelle Xylit-Studie ist aufgrund der angewandten Methoden nicht aussagekräftig genug, um diesen Sicherheitsstatus in Frage zu stellen. Durch die starke mediale Verbreitung der Studienergebnisse werden Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch verunsichert.

Dabei bieten Zuckeraustauschstoffe genau wie Süßstoffe wichtige Vorteile in der täglichen Ernährung. Sie sind zahnfreundlich und beeinflussen im Vergleich zu Zucker den Insulin- und Blutzuckerspiegel im menschlichen Organismus nicht (Süßstoffe) oder nur geringfügig (Zuckeraustauschstoffe). Daher sind sie besonders für Menschen mit Diabetes geeignet. Als kalorienarme bzw. -freie Süßungsmittel bieten sie zudem eine einfache Möglichkeit, die Zucker- und Kalorienaufnahme zu reduzieren, ohne auf süßen Genuss verzichten zu müssen.

Weitere Informationen zu Zuckeraustauschstoffen finden Sie auf der Website der European Association of Polyol Producers (EPA)

Quellen:
(1) Marco Witkowski, Ina Nemet, Xinmin S Li, Jennifer Wilcox, Marc Ferrell, Hassan Alamri, Nilaksh Gupta, Zeneng Wang, Wai Hong Wilson Tang, Stanley L Hazen, Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk, European Heart Journal, 2024;, ehae244, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae244.
(2) Commission Regulation (EU) No 1129/2011 of 11 November 2011 amending Annex I| to Regulation (EC) No 1333/2008 of the European Parliament and of the Council by establishing a Union list of food additives: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX%3A32011R1129.

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