Wahrnehmung aus Konsumentensicht & Verbraucheraufklärung

#Sweetcamp 2018: Wahrnehmung aus Konsumentensicht & Verbraucheraufklärung

Die Bundesregierung will Süße mit ihrer Reformulierungsstrategie reduzieren, die Krankenkasse AOK kämpft mit dem Slogan „süß war gestern“ gegen Süßungsmittel und die Handelskette Rewe verringert in ihrer Eigenmarkte lautstark den Zuckeranteil. Das gemeinsam ernannte Ziel: weniger Übergewicht. Mit allen Mitteln wird um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers gekämpft. Auf dem Sweetcamp in Bonn wurde diskutiert, welchen Einfluss diese Kampagnen auf den Verbraucher haben. Wie wird Süße heute wahrgenommen? Was kommt an und was nicht?

Mögen’s Verbraucher immer noch süß?

Die Lust nach Süßem ist jedem Menschen angeboren. Und so kommt kaum ein Lebensmittel im Supermarkt ohne Zucker aus: Er steckt im Brot, in Fleischwaren, in Joghurt und anderen Milchprodukten, im Müsli und natürlich in fast allen Fertigprodukten. Lebensmittel, die alternativ mit Süßstoffen wie beispielsweise Stevia ihren süßen Geschmack erhalten, sind immer noch die Ausnahme im Supermarktregal. Ein Grund: Mit Süßstoff gesüßte Produkte haben nicht die gleiche sensorische Qualität wie gezuckerte Produkte. „Ich gewöhne mich aber auch an das Süßeprofil eines Süßstoffes“, argumentiert Harmut Bollinger von Bollinger food consulting. Das sei bei Diabetikern, die fast keine andere Wahl haben, als zu Süßstoffen zu greifen, wenn sie nicht auf Süße verzichten wollen, immer wieder zu beobachten. „Der gesunde Konsument wird sicherlich weiterhin seine zuckerhaltigen Süßwaren konsumieren“, mutmaßt Bollinger. Es sei denn, er möchte Gewicht verlieren. Die Wahrnehmung des Konsumenten ist also flexibel: „Es kommt immer darauf an, wie die Interessenlage ist“, so Bollinger.

Verbrauchergruppe: Diabetiker & Zuckerersatz: Süßstoff

Verena Hädrich, Vertreterin des Diabetikerbunds Bayern, lebt seit vielen Jahren mit Süßstoffen. „Und habe nichts“, betont Hädrich. Die Diabetikerin versorgte auch ihre Kinder und Enkelkinder immer nur mit Süßstoff gesüßten Produkten. Und auch da: nichts. Trotzdem muss sich Hädrich für das Ersetzen von Zucker durch Süßstoff viel Kritik gefallen lassen: „Es wird immer geredet: Du mit deinem blöden Süßstoff“, so Hädrich. Süßstoffe seien nicht sicher oder sogar gefährlich. Einen Grund für die sich hartnäckig haltenden Mythen sieht Hädrich in der Berichterstattung der Medien: „Süßstoff ist nicht schädlich. Da war ich mir eigentlich schon immer sicher, aber man hört ja in der Presse immer nur negativ, negativ.“

Überernährung ist das Problem, nicht die Süße

Nicht nur der Süßstoff wird sein schlechtes Image nicht los: Zucker und Süße sind Handel, Krankenkassen und Medien aktuell ein Dorn im Auge. Die weißen Kristalle sollen verschiedene Krankheiten wie Diabetes und Übergewicht begünstigen. Zucker ist Ursache für Karies und es steht außer Frage, dass er in Massen verzehrt, dick macht. Zwar gilt für die süßen weißen Kristalle wie für alles andere auch: Die Dosis macht das Gift. Die Medien scheint das jedoch wenig zu interessieren, dass auch Zucker und Süßstoffe in Maßen gesunde Süßungsmittel sind.

„Wir haben nicht den Zucker, der gewisse Krankheiten fördert, sondern die Überernährung“, positioniert sich Meike Veit, Vertreterin von Pfeiffer & Langen. Das Gegenargument mancher Ernährungswissenschaftler lautet: „Es gibt keinen Bedarf Zucker, konkret Mono- und Disaccharide, als Lebensmittel aufzunehmen“. Das menschliche Gehirn benötige zwar etwa 130 Gramm Glucose am Tag, der Körper sei jedoch in der Lage, diese Glucose aus Polysacchariden also Stärke selbst aufzuspalten. „Kohlenhydrate wie Zucker sind grundsätzlich nicht schädlich“, bezieht Dr. Burkard Lawrenz vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Stellung. Studien belegen, dass sowohl sehr wenige, als auch sehr viele Kohlenhydrate ungesund sind. „Nur ein moderater Genuss ist sinnvoll“, resümierte der Arzt. Die Wirkung von Zucker und Süßstoff im Körper lässt regelmäßig leidenschaftliche Debatten ausbrechen, die vor allem eines aufzeigen: Interdisziplinärer Austausch ist wichtig und in jedem Fall richtig. Wenn selbst die Wissenschaft sich nicht einig ist, wie sollen es dann die Verbraucher sein?

Süßstoff oder Zucker?

Süßstoff oder Zucker scheint einfach nicht mehr die wesentliche Frage zu sein. „Die Hauptrolle in der Adipositasprävention spielt insgesamt das Lebensverhalten, also das Bewegungs-, Ernährungsverhalten allgemein“, positioniert sich Lawrenz, Sprecher im Ausschuss Prävention vom Berufsverband Kinder- und Jugendärzte. Die Diskussion auf Zucker und Süßstoff zu reduzieren, werde wahrscheinlich nicht erfolgreich sein, glaubt der Arzt.

Letztendlich sitzen Zucker- und Süßstoffverbände, Produzenten und Händler im gleichen Boot, was die mediale Konfrontation angeht. „Die Verbraucher, die häufig nicht so gut Bescheid wissen, halten auch falsche Schlagzeilen oft für wahr“, beschreibt Veit von Pfeiffer & Langen das Problem. Dabei sei es für den Konsumenten egal, ob die Headline eine qualitative Langzeitstudie mit Menschen oder eine einfache Korrelation, die im Versuch mit Ratten festgestellt wurde, als Grundlange hat. „Viele Journalisten sind nicht ausreichend ausgebildet, um die Studienergebnisse richtig zu bewerten“, findet Veit. Und so bleiben Schlagzeilen in Erinnerung, obwohl sie mehrfach widerlegt, aus dem Zusammenhang gerissen oder einfach falsch sind.

Wie kann man den Verbraucher heute noch erreichen?

Danny Gandert, Geschäftsfeldleiter bei Nutrisun und Vorstandsvorsitzender des Süßstoffverbands, setzt auf einfache und plakative Aufklärung: „Ich glaube die Leute werden zugeschüttet mit Informationen und sind auch überdrüssig irgendwie tiefgehende Informationen zu lesen.“ Deshalb sei die Kampagne des Süßstoffverbandes „So süß wie Du“ genau der richtige Schritt für eine unterhaltsame, prägnante und richtige Aufklärung. Thomas Fiege vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde zeigte in der Barcampsession, dass auch der aktive Einsatz in den sozialen Medien eine Möglichkeit ist: „Wir vom BLL versuchen über Facebook und Co. die Verbraucher zu erreichen und falsche Berichterstattungen aufzudecken.“ Die Posts und aufklärenden Videos des Spitzenverbands erfahren auf Twitter, Youtube und Facebook große Aufmerksamkeit. Der Beitrag „Wie viel Zucker ist drin“ wurde bisher zum Beispiel über 5.000 Mal angeschaut.

Fragen & Antworten

Anja RothÖFFENTLICHKEITSARBEIT DEUTSCHLAND

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