Folge #20: Wie ist das Leben mit Adipositas?

Zu Gast: Melanie Bahlke, 1. Vorsitzende der Adipositaschirurgie-Selbsthilfe-Deutschland e.V.)

In der aktuellen Folge von unserem Podcast “so! was? süßes.” ist Melanie Bahlke, erste Vorsitzende der Adipositaschirurgie Selbsthilfe Deutschland e.V., zu Gast. Unser Moderatorinnen Duo Anja Roth (Ernährungsberaterin und Süßstoff-Expertin) und Sophie Samrock (Moderatorin) spricht mit Melanie Bahlke über ihr Leben als Betroffene und ihre Arbeit in zahlreichen Organisationen zur Behandlung, Entstigmatisierung und Aufklärung von Adipositas.

Übrigens: Zum Thema Adipositas gibt es bereits eine Folge “so! was? süßes.” – wenn ihr also noch mehr dazu erfahren wollt, dann hört doch auch hier mal rein: “Adipositas – was ist das eigentlich?”

Alles weitere erfahrt ihr in der neuesten Folge von so! was? süßes.

Viel Spaß beim Hören.

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Links zu Hilfsangeboten

Sexualisierte Gewalt:

Weißer Ring: https://weisser-ring.de/
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: https://cutt.ly/5KlXbwL

Adipositas:

Deutsche Adipositas Gesellschaft: https://adipositas-gesellschaft.de/

Weitere Interessante Fakten zum Thema Süßstoff und Ernährung findet ihr hier:

Facebook: www.facebook.com/sosuesswiedu

Instagram: www.instagram.com/sosuesswiedu

Website: www.suessstoff-verband.info

Verbraucherportal: www.so-suess-wie-du.de

Transkription der Folge:

Sophie Samrock Herzlich willkommen zu einer neuen Folge So was Süßes. Dem Podcast rund um das Thema süße Ernährung. Mein Name ist Sophie Shamrock. Mit mir im Studio ist heute wieder unsere Ernährungsexpertin Anja Roth. Hallo Anja!

Anja Roth Hallo Sophie!

Sophie Samrock Außerdem haben wir auch heute wieder einen Gast bei uns, und zwar die erste Vorsitzende der Adipositas Chirurgie Selbsthilfe Deutschland. Herzlich willkommen, Melanie Bahlke.

Melanie Bahlke Vielen Dank, dass ich da sein darf.

Sophie Samrock Sie und Anja Roth kennen sich ja bereits. Anja, vielleicht magst du kurz erklären woher?

Anja Roth Ja, also wir haben uns schon auf sehr vielen Veranstaltungen getroffen, die sich rund um das Thema Adipositas drehen. Kongresse, Tagungen, bei der Diabetes Gesellschaft, aber auch bei der Adipositas Gesellschaft und sind da natürlich auch häufig schon ins Gespräch gekommen. Und ja, da habe ich mir gedacht, das wäre mal eine gute Gesprächspartnerin für unseren Podcast.

Sophie Samrock Ja, auf jeden Fall. Das Thema Adipositas ist eben schon kurz angeklungen. Deshalb zu Beginn an Anja erst mal die Frage: Was ist Adipositas?

Anja Roth Also ich möchte das nur kurz erklären. Adipositas, da spricht man von Übergewicht, krankhaftem Übergewicht, vielfach mit dem BMI, mit dem Body-Mass-Index in Verbindung gebracht. Wir haben dazu auch schon eine ganze Folge gemacht.

Sophie Samrock stimmt, Folge 10.

Anja Roth Deswegen möchte ich das jetzt gar nicht so weit ausbreiten. Wer da reinhören mag. Und wir sehen es glaube ich heute mal von einer anderen Richtung. Nicht diese Einteilung „was ist das?“ Sondern wir wollen ja heute auch mehr gucken. Was bedeutet das, auch Adipositas zu haben?

Sophie Samrock Wie kann man denn Adipositas behandeln?

Anja Roth Ja. Also ich meine, die meisten denken „ich wäre übergewichtig“, einfach weniger essen und fangen dann an mit Diäten. Das ist aber sicher immer die schlechteste Lösung. Was sicher besser ist, ist, dass man Beratungsangebote in Anspruch nimmt, also sogenannte konventionelle Beratung, also wirklich über Beratungen, über Sporteinheiten und über Psychologen. Wo dann halt wirklich mit dem Thema umgegangen wird. Also am besten solche Konzepte, die das wirklich in der Gänze machen, also alle Disziplinen mit einbeziehen. Und wir haben dazu auch mal ein Podcast mal gemacht, mit jemandem, mit dem Dr. Valley von BODYMED.

Sophie Samrock Genau da könnt ihr euch ja Folge 17 anhören.

Anja Roth Ja, genau. Für viele ist das auch die letzte Möglichkeit: Die Adipositas Chirurgie.

Sophie Samrock Was verbirgt sich denn dahinter?

Anja Roth Bei der Adipositas Chirurgie geht es eigentlich immer um chirurgische Verfahren, die den Magen-Darm-Trakt so umbauen, dass weniger Nahrung im Körper ankommt. Würde ich mal so kurz und knapp beschreiben. Und deswegen haben wir uns ja auch heute die Melanie Bahlke ins Studio geholt, damit sie uns mehr darüber erzählt und auch, wie es den Menschen damit geht, die Krankheit zu haben oder auch behandeln zu wollen. Und auch überhaupt wie lebt man mit Adipositas? Also, Melanie, jetzt bist du dran. Vielleicht magst du einmal kurz dich vorstellen und auch deine Arbeit als Vorsitzende von dir.

Melanie Bahlke Ja, also, ich bin Melanie Bahlke. Ich bin jetzt 46, ich bin schon fast 19 Jahre am Magen operiert, habe auch eines der ersten Bypass Babys, Magenbypass Babys hier in Deutschland. Und das ist schon wirklich ein sehr einschneidendes Erlebnis, weil man so von einem Patienten zu einem anderen Patienten wird. Und dass es manchmal auch ein Blindflug war. Das ist halt auch so: Ich kam dann irgendwann in den Verein, weil ich gemerkt habe, da muss das noch viel, viel mehr passieren. Wir wissen darüber gar nichts als Patienten und das war eine unheimlich aufregende und spannende Zeit.

Uns es gibt jetzt fast schon 18 Jahre. Ja, und wir haben dann auch der Aufklärung, der Erkrankung, der Behandlungsoption praktisch gewidmet. Und vor allen Dingen, wie man als Patient damit lebt.

Sophie Samrock Was ist das denn genau? Dieses Magenbypass Baby, wenn ich das richtig verstanden habe.

Melanie Bahlke Ja, also meine Tochter. Ich konnte zum Beispiel nicht schwanger werden. Das war nicht möglich. Ich hatte 210 Kilo. Ich hatte dann auf mal das PCO-Syndrom. Da ging gar nichts. Und der Magenbypass hat mich dann innerhalb von 15 Monaten auf 102 Kilo abnehmen lassen und ich wurde sehr schnell schwanger. Und das, das war dann praktisch ein Highlight. Eine Frau mit einem Magenbypass und dann halt auch gleich noch eine Schwangerschaft. Das war schon eine große Herausforderung. Einfach auch vom ersten Zusammenspiel her, dass man praktisch mich und das Kind gut durch die Schwangerschaft bekommt.

Anja Roth Ja, kannst du noch mal ganz kurz sagen. Vielleicht für die Zuhörer und Zuhörerin, was genau der Magenbypass ist, was da gemacht wird.

Melanie Bahlke Also ein Magenbypass, das ist praktisch eine Verkleinerung meines Magens und des Darms. Es wurden beide Sachen verkürzt, damit ich die Nahrung, die ich aufnehme, nicht mehr so verdauen und nicht so verarbeiten kann und schneller ausscheiden kann, weil man auch gedacht hat, dauerhaft bei mir was ändern zu können.

Anja Roth Ja, das ist natürlich gerade bei Schwangeren noch mal schwieriger. Wenn dann auch die Nahrung nicht mehr so viel ankommt und man erhöhten Nährstoffbedarf hat. Aber das ist ja toll. Und deine Tochter, die ist ja auch mittlerweile schon groß geworden.

Melanie Bahlke Ja, 16 und leider habe ich meine Gene mit übertragen. Das war dann halt auch etwas, was man heute mittlerweile auch schon öfters sieht. Wenn man dann sehr verfrüht schwanger wird, dass man seine Gene und seine Epigenetik mit überträgt. Und das ist manchmal gar nicht so einfach, weil man möchte ja eigentlich immer alles richtig machen und muss zum Teil halt zugucken, wie die Krankheit dann doch das Leben übernimmt.

Anja Roth Magst du uns ein bisschen was von deiner Geschichte erzählen. Du hast eben 210 Kilo gesagt. Viele fragen sich sicher wie kommt man dazu? 210 Kilo ist ja echt eine Menge.

Melanie Bahlke Ja, also bei mir war das einfach so. Ich wurde geboren und da war ich sehr klein, ein Frühchen und musste durchaus aufgepäppelt werden. Und irgendwann kam das dann so im Kindergarten. Ich war schon immer größer wie alle anderen. Aber im Kindergarten war das eher so: Hey, sie ist die Starke. Man sieht das da anders und in der Schule kommen dann irgendwann die Voruntersuchungen. Dann ist es das erste Mal so:  “Ja, also da muss man aufpassen, man sagt, man muss aufpassen und jedes Elternteil möchte aufpassen. Aber auf was? Das hat niemand groß gesagt.

Und mit acht Jahren zum Beispiel habe ich zwei Jahre lang Diät machen müssen. Immer ein und dieselbe, zehn Tage lang. Also nach zehn Tagen hatte ich dann mal drei Tage Pause und dann wieder die nächsten zehn Tage Diät und immer das Gleiche. Und das zwei Jahre. Das war für mich als Kind schon sehr frustrierend. Dinge essen zu müssen, die ich eigentlich überhaupt nicht mag, die gar nicht kindgerecht sind. Aber man wusste sich halt gar nicht anders zu helfen. Das war für meine Eltern glaube ich auch nicht sehr einfach, weil sie wirklich alles probiert haben. Alle Bauchweg-Schüttel-Gürtel gekauft und keine Ahnung.

 

Also meine Eltern haben sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen, um Produkte zu kaufen. Zum Beispiel Shakes und Tabletten, haben mit mir sehr viel Sport gemacht. Mein Papa zum Beispiel hat extra für mich eine Fußball Mädchenmannschaft gegründet. Ich habe dann auch zum Teil in vier Mädchen Mannschaften gleichzeitig gespielt und auch nebenbei Volleyball. Weil sie gesagt haben: “So, das muss jetzt sein.” Also Ernährung, Diäten und Sport. Und das hielt sich immer so in Grenzen. Aber ich war nie schlank. Und das war zum Teil wirklich frustrierend. Und irgendwann kam halt ein Sport Unfall, wo es dann geheißen hat, okay, das geht so nicht mehr so exzessiv.

Ja und dann habe ich angefangen zuzunehmen, so auf von 120 Kilo. Das geht immer sehr schleichend. Du siehst dich im Spiegel, du erkennst dich auch, aber du merkst manchmal gar nicht, wie diese Grenzen verschwimmen. Die verschwinden, wenn du kräftiger wirst. Das nimmst du manchmal einfach gar nicht mehr wahr. Und irgendwann kommt dann so ein Moment, wo du denkst “Oh, das bin ich. Oh Gott, Hilfe!” Und es ist keine Hilfe in Sicht. Das war frustrierend. Und dann kam auch noch ein traumatisches Erlebnis hinzu. Ich bin fünffach vergewaltigt worden, also eine fünffache Vergewaltigung.

Für mich war das dann so: So hübsch darfst du auch nicht aussehen, das ist schwierig. Und dann wollte ich einfach gar nicht mehr. Ich glaube, das Leben war mir einfach zu viel. Und hab dann irgendwann den Kopf auch ausgeschaltet und irgendwie versucht, mich durchs Leben zu schlawinern. Ohne wieder irgendwo anzuecken oder mir selbst wehtun lassen zu wollen. Es war nicht so einfach. Und irgendwann stehst du da. Und du wiegst 210 Kilo. Dein Arbeitgeber sagt. “Ja. Also. Du musst was machen. Ich weiß nicht, wie lange ich dich noch halten kann.” Und dann habe ich halt jeden Strohhalm gegriffen und hat fast sechs Jahre lang gebraucht, bis mir überhaupt die Möglichkeit zuteilwurde, mir einen Bypass machen zu lassen. Das wurde mir damals nicht geschenkt.

Anja Roth Es war auch noch gar nicht so üblich zu der Zeit.

Melanie Bahlke Nein.

Sophie Samrock Wann war das denn ungefähr? Wie alt waren Sie damals?

Melanie Bahlke 27. Und das war wirklich vor knapp 19 Jahren. Also, ich bin im Oktober 2003 operiert worden und es war wirklich noch so, ich bin in die Klinik gegangen und da hat jeder, fast jeder Patient Englisch gesprochen. Und dann habe ich halt auch Englisch gesprochen. Es fiel im ersten Moment gar nicht auf, dass ich Deutsch konnte. Das war dann so ein Zufall. Wir haben jetzt eine Deutsche, denn es war wirklich damals noch sehr selten, dass die Krankenkassen so was bezahlt haben. Und dann ging es richtig bergab und das war dann auch für meinen Kopf so ein bisschen eine extreme Achterbahnfahrt. Und vor allen Dingen das, was Sie heute als Patienten zur Verfügung haben, das hatten wir damals nicht. Ich wurde entlassen mit drei DIN A4 Zetteln, und da stand dann zum Beispiel auch drauf Supplementation und das war Gatorade. Und dann stand ich da und habe gesagt “Ist das jetzt euer Ernst? Von Coca-Cola? Soll ich zuckerhaltige Getränke nehmen, weil da Vitamine drin sind?” Okay, also da hat sich unheimlich viel getan.

Anja Roth Ja, das auf jeden Fall. Also ich glaube, da hat sich immer noch nicht alles zum Richtigen gewendet. Aber es geht jetzt. Also ich glaube die Nachsorge ist immer noch schlecht bei der Adipositas Chirurgie.

Melanie Bahlke Also das ist halt auch ganz, ganz schwierig. Also die Chirurgen haben halt so ihr Schema, was sie machen müssen oder was sie machen wollen. Dann hast du aber auch die Krankenkasse, die das Ganze noch mal reduziert von den Kosten her. Die können das gar nicht so machen, wie sie e vielleicht gerne machen möchten. Und ein Patient kommt und denkt, alles ist geregelt. Und das ist halt nicht so, es gibt ganz oft einfach nur die Blutbilder, die fehlen oder nur einmal im Jahrgemacht werden. Das wäre genauso so, wenn ich jetzt Krebs im Endstadium hätte oder ein Diabetiker sagen würde “Hey, wir machen einmal im Jahr eine Kontrolle und gucken einfach mal, was passiert”. Das geht eigentlich gar nicht. Aber für uns muss es halt so gehen. Wir schlängeln uns da so durch, durch so ein Flickenteppich der Versorgung.

Anja Roth Ja, wie setzt sich denn jetzt der Verein dann ein? Oder was macht ihr mit dem Verein dann? Wenn ich jetzt betroffen bin, oder in welchem Stadium würde ich auf euch treffen, wenn ich eine OP haben möchte oder wenn ich die schon hatte, oder?

Melanie Bahlke Also das ist sehr unterschiedlich. Es gibt einfach Patienten, die finden den Weg schon vorher, weil sie sagen: “Okay, ich interessiere mich dafür”. Und das ist zum Beispiel auch was, wo wir sagen: Ok, unser Verein versteht sich jetzt nicht als okay Beschaffer oder so was, das sind wir eigentlich nicht, sondern wir möchten aufklären. Vielleicht auch mal sagen guck noch mal genau hin. Ist das der richtige Weg für dich? Ist es vielleicht einfach eher so, dass du mit einem Medikament glücklicher wärst? Oder du brauchst vielleicht viel mehr Therapie, Psychotherapie oder Bewegung. Jeder Mensch braucht was anderes. Das ist auch die Entwicklung, die wir mitgemacht haben. Als Verein zu sehen, dass der Patient so individuell ist und dass wir viel, viel mehr brauchen, wie wir gedacht haben. Dieses “Wir nehmen jetzt mal so eine OP und das fixt alles” das funktioniert in der Regel ein paar Jahre, aber nicht ewig. Und deswegen machen wir zum Beispiel auch zweimal im Jahr einen Adipositas Tag und dann praktisch Vorträge, 6 bis 7 Vorträge an einem Tag, die von Fachleuten gehalten werden, aber auch Patienten. Also das ist auch wichtig für uns. Und wir haben dann auch so ein Magazin, das nennt sich Adipositas SPIEGEL. Da haben wir auch Fachartikel drin, aber auch menschliche Rezepte. Also da findet eigentlich der Patient ganz viele verschiedene Sachen, die einfach gebrauchen kann auf seinem Weg, aber halt auch für ihn verständlich, denn das ist immer mal so die Kunst. Wenn ein Arzt einen Artikel oder einen Vortrag hält. Das versteht nicht immer der Patient. Der Patient sagt dann “Klasse ich habe den Arzt gesehen. Und was hast du verstanden? Ich habe den Arzt gesehen.

Anja Roth Ja, ja, das glaube ich. Ja. Mach ruhig ein bisschen Werbung für deine Vereine. Ich glaube, die Nächste ist jetzt. Wann? Im September.

Melanie Bahlke Im September haben wir ein Barcamp. Das machen wir zusammen mit dem Verband. Wir sind jetzt insgesamt drei Vereine und der Adipositas Verband. Wir arbeiten sehr oft zusammen und deswegen haben wir gesagt, wir machen so ein Barcamp. Und im November gibt es dann praktisch noch mal so einen Adipositas Tag und das macht eigentlich auch wirklich den Leuten Spaß. Es ist toll. Im Mai hatten wir einen und im ersten Vortrag, da ging es zum Beispiel um Fotografie-begleitende-Therapie, um mit sich selbst, mit seinem Körper klarzukommen, sich einfach mal wieder anders zu sehen. Und da kriegst du dann Nachrichten von den Zuschauern. Ach, das ist schlimm mit dir. Es ist der erste Vortrag und ich wein schon, weil das die Menschen so berührt und das ist eigentlich genau das, was wir brauchen, dass die Menschen verstehen, dass das mehr sind als ihre Kilos, wo wir einfach Mensch sind.

Anja Roth Super. Apropos Fotos. Also ich verfolge dich auf Facebook und auch auf Instagram. Ich glaube da müssen wir auch unbedingt einen Verweis in die Shownotes machen, weil da kriegt man auch ein bisschen Eindruck davon. Weil sich das eben alles so traurig und depressiv angehört hat, sage ich mal, aber ich habe dich ganz anders erlebt. Das bist du nicht. Also ich kenne glaube ich niemanden, der so viel Power hat wie du. Also das ist erstaunlich.

Melanie Bahlke Das muss man lernen. Wir Adipositas Patienten sind immer so gewohnt in Problemen zu denken und wir sehen Hindernisse. Und was ich grad einfach mal mit den Leuten versuche, ist es, nicht in Hindernissen zu leben, sondern in Möglichkeiten. Es gibt ganz viele Möglichkeiten. Und warum nicht mal ausprobieren?

Anja Roth Ja, das hört sich gut an. Ich weiß gar nicht, ob es jetzt vom Verein ist oder von dir, aber ihr habt noch ein paar andere Aktionen. Da geht es auch glaube ich, relativ häufig um die Stigmatisierung von Adipösen. Und wie seid ihr da oder wie fühlt sich das an für euch? Was kommt da aus der Gesellschaft? Was passiert da?

Melanie Bahlke Es ist manchmal einfach ziemlich schwierig, wenn ich rausgehe. Also mir ist das schon passiert, dass Leute, wenn sie schlecht drauf sind, die Wut an mir auslassen. Ich kenne die Leute nicht. Ich weiß nicht, wer das ist. Und sie kommen und sagen du fette Sau. Du könntest mal abnehmen. Und dann ging ja dein Leben viel besser. Und da stehst du da und denkst: “Schönen guten Tag. Keine Ahnung, wer Sie sind. Vielen Dank für diese Stigmatisierung”. An einem guten Tag steckt man das weg. Und manchmal hast du aber auch keinen guten Tag, dann trifft dich und das erschreckt dich. Das ist, als ob jemand kommt mit einem Baseballschläger und auf dich einprügelt und du weißt gar nicht warum. Also es ist eigentlich eine seelische Gewalttat.

Anja Roth Ja, keiner von uns möchte ja beschimpft werden oder gemobbt werden.

Melanie Bahlke Also ja, das passiert dir ja auch manchmal bei einem Arzt. Also mir ist es auch schon passiert beim Zahnarzt. Ach, sie sind ja ganz nett und sie sind auch so reinlich. Aber bitte kommen Sie nicht wieder. Ich habe Angst um meinen Stuhl.

Sophie Samrock Oh, wow.

Melanie Bahlke Ja, und dann denkst du: “Wow, vielen Dank. Was mache ich jetzt?”. Du stehst in ganz, ganz vielen Sachen sehr allein da. Viele haben einfach auch für das Problem kein Verständnis, weil einfach immer gesagt wird Ja, dann friss halt weniger und beweg dich mehr. Und die haben eigentlich gar keine Ahnung, wie das ist, wenn du einen Körper hast, der eigentlich gar nicht zu dir passt und den du aber jeden Tag bewegen muss.

Sophie Samrock Gibt es noch andere Vorurteile, mit denen Erkrankte, sage ich jetzt mal zu kämpfen haben? Also Sie haben vorhin schon von Ihrem Arbeitgeber gesprochen, der dann irgendwann mal meinte, jetzt wird es schwierig. Gibt es da noch andere Beispiele?

Melanie Bahlke Ja, es ist wirklich so, dass auch zum Teil für den dicken Dummen gehalten wird. Ja, zum Beispiel. Manchmal wenn ich in Frankfurt am Flughafen bin, ich schaff die Wege gar nicht. Ich muss dann die Mobilität in Anspruch nehmen. Und das kann ganz lustig sein, dann sitzt du so in einem XXL-Rollstuhl. Ich bin schon froh, dass Sie einen haben. Und dann kommt jemand und schreit dich an! “Na und? Fliegen wir heute wieder?” Und ich denke, ich habe doch nur Adipositas. Ich bin ja nicht blöd. Und das passiert mir einfach.

Anja Roth Ich stelle mir das gerade vor. Nein.

Melanie Bahlke Wenn es dir nicht selbst passiert. Um Gottes Willen. Also ich muss dann manchmal auch aufpassen, dass ich nicht anfangen zu lachen. Es ist aber, wenn du dann einfach so drüber überlegst, du denkst Ah, Wahnsinn, wie gehen eigentlich die Menschen mit einem um? Ich bin einfach ein ganz normaler Mensch, der in einem Körper steckt, den ich so nie gewollt habe. Ich habe es nie forciert. Das wusste das auch gar nicht.

Anja Roth Ja. Wie kann man euch denn da unterstützen? Oder was habt ihr denn da für Aktionen gegen diese Stigmatisierung?

Melanie Bahlke Also da haben wir mehrere Aktionen, zum Beispiel zum Welt Adipositas Tag am 04.03. Es sind Dinge, die jeder tun kann. Kleine praktische Hilfen, etwas, dass der Patient tun kann, dass der Arzt tun kann. Zum Beispiel gibt es diese Herangehensweise, wie man mit einem Patienten spricht. Dass man erst mal fragt “Darf ich mit Ihnen über Ihr Gewicht sprechen?” Und nicht so “Sie wissen schon, Sie müssen abnehmen und dann haben Sie auch keine Erkältung mehr.” Das passiert sehr oft. Man geht zum Arzt und. Ich weiß, sie sind vielleicht einfach hilflos, aber und so zu behandeln. Das führt eigentlich nur dazu, dass wir uns immer mehr und mehr zurückziehen. Und wenn ein Patient sich zurückzieht, wird die Erkrankung einfach schlimmer. Und das ist halt auch das, was ich selbst in meiner Familie gesehen habe. Meine Cousine, die war so stigmatisiert wegen ihrem Gewicht. Mit ihr durftest du nicht mehr über ihr Gewicht reden und letzte Mal, als ich sie gesehen habe, war im Krankenhaus. Da ging es ihr einfach schon gar nicht mehr gut. Da hat sie 336 Kilo gehabt und sie ist auch kurz darauf verstorben, weil der Körper das Gewicht einfach gar nicht mehr ertragen hat. Dass das einfach Folgen von nicht Behandlung, oder keiner guten Behandlung. Weil wenn ein Patient sich so stigmatisiert fühlt, geht er zum Teil nicht mehr zum Arzt, schickt vielleicht seine Krankenkassenkarte und der Arzt sieht uns noch nicht mal. Das sollte heute nicht mehr passieren.

Anja Roth Nein, ganz sicher nicht. Aber ich glaube, da müssen sich ganz viele Leute an die Nase fassen.

Melanie Bahlke Der Patient vielleicht einfach auch selbst oder der Betroffene. Zu sagen, ja, ich kann mir keine Hilfe holen, also ist es schwierig, sich Hilfe zu holen und schwierig, Hilfe anzunehmen. Und man muss einfach mal dranbleiben und gucken Wie weit kann ich jetzt schon gehen?

Anja Roth Aber ich denke mal, dann ist ja gerade so eine Selbsthilfegruppe wie eure ein guter Ansprechpartner, weil ihr ja einfach auch selbst Betroffene seid. Ihr wisst, wovon ihr redet. Das ist glaube ich noch mal bei Selbsthilfegruppen was ganz Ausschlaggebendes. Also wenn ich als Berater irgendwas zu jemandem sage, dann ist das ist bei weitem nicht dasselbe. Ich kann mich, auch nicht wirklich reinversetzen in so eine Situation. Für mich das unvorstellbar, so was zu erleben, wie du das jetzt gerade beschrieben hast. Also, aber das ist glaube ich wirklich was ganz Wichtiges, dass man sich an Selbsthilfe Gruppen wendet. Ihr habt auch diese…wie heißt das? Rote Karte glaube ich. Rote Karte?

Melanie Bahlke Ja. Diskriminierung? Nein, danke.

Anja Roth Ja, genau. Also, ich glaube, da gibt es schon viele, viele Möglichkeiten. Und wer will da wirklich auch was tun möchte oder sich da ja informieren will, den verlinken wir auch auf jeden Fall auf eure Seite.

Sophie Samrock Genau, das packen wir alles in die Shownotes.

Anja Roth Auf jeden Fall. Was würdest du denn jemandem sagen, der wirklich gerade nicht weiß, was er tun soll? Ist übergewichtig, massiv übergewichtig, sage ich mal- Er weiß gerade nicht, was er tun soll. Fühlt sich auch stigmatisiert. Was wäre so für dich das Erste, was du ihm sagen würdest? Was er tun soll?

Melanie Bahlke Ich glaube einfach, dass ich ihn verstehen kann. Ich glaube, das ist erst mal so eine Grundbasis von “Ich tu dir nix!” Und das ist halt einfach etwas, was die Selbsthilfe kann, zu sagen, ich bin da, wenn du mich brauchst. Aber den Weg zu mir muss man erst mal selbst machen. Ich kann einen Patienten nicht zu Hause abholen. Das geht mal online, aber online ist immer so was. Also mal ehrlich so eine Selbsthilfegruppe kann auch richtig Spaß machen. Ich, leite selbst noch nebenher noch eine Selbsthilfegruppe. Wir haben auch nicht nur sehr ernsthafte Gespräche und lernen viel, wir haben auch Spaß. Denn es ist einfach was, wo ich gesagt habe, das ist eine Grundlage. Wer Spaß am Leben hat, der achtet mehr auf sich und macht mehr. Und macht vor allen Dingen mehr mit. Also ich bin mit meiner Selbsthilfegruppe letztens bei Bülent Ceylan gewesen. Die haben auch erst mal alle geguckt so okay, die sind kräftiger, aber wenn die dann merken, wir sind Teil von dem Ganzen und lachen, wir haben auch mit Spaß, dann ist das alles nicht mehr so ein Problem. Dann sind wir nicht mehr die Außenseiter, sondern wir sind mittendrin. Diese Entstigmatisierung muss von beiden Seiten passieren. Von uns, dass wir uns integrieren. Und von den anderen, dass sie sagen “Hey, okay, da ist jetzt jemand, der hat mehr Gewicht. Aber den sehe ich, der geht raus, der tut was. Die sich versteckt sich nicht mehr.” Und das ist auch, was ich Ihnen gesagt habe. Das ist das, was ich der Gesellschaft praktisch zurückgeben möchte Respekt, Antworten und vor allen Dingen eine Anlaufstelle.

Anja Roth Ja, das hört sich gut an. Also da können wir auch nur jeden ermuntern, da wirklich Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber noch was. Ich weiß von noch einer Aktion und da haben wir uns nämlich auch letztens drüber unterhalten. Da habe ich auch ein kleines Entsetzen gehabt, aber auf andere Art. Du bist auch Bewegungsbotschafterin des March 4 Obesity. Ja, und da kannst du vielleicht noch mal kurz was dazu sagen, was das ist.

Melanie Bahlke Also March 4 Obsiety. Das war auch so eine Wortspielerei. March für März, 4. März, Welt, Adipositas Tag und um die Welt laufen. Das ist zum Beispiel was man uns Übergewichtigen immer vorsetzt. Wir sind zu dick, wir sind faul und wir bewegen uns nicht. Und? Das stimmt eigentlich so gar nicht. Jeder von uns bewegt sich, bewegt sich in seinen Möglichkeiten. Ich habe Leute, die sind im Rollstuhl, weil sie einfach nicht mehr können. Aber der bewegt sich trotzdem noch vom Bett in seinen Rollstuhl. Und das sind sehr kraftaufwendende Bewegungen. Das kostet ihn unheimlich Kraft. Und das ist aber auch vielleicht zwei Schritte, die er geht.
Aber das sind zwei wichtige Schritte für diesen Menschen. Und das hat dann auch Gewicht. Für uns jedenfalls. Und das ist zum Beispiel, was ich konnte früher vielleicht 500-600 Schritte gehen und mittlerweile, wenn ich einen guten Tag habe, ich ja, ich muss es echt offen sagen, das ist nicht jeden Tag so, das ist vielleicht einmal in der Woche oder zweimal. Dann schaffe ich auch mal 17.000 Schritte.

Anja Roth Wow

Sophie Samrock Das ist echt viel

Anja Roth Schaffe ich aber auch nicht mehr als einmal die Woche maximal

Melanie Bahlke Ja, aber normalerweise sagt man ja, 10.000 Schritte am Tag. Da denke ich mir, ich müsste doch eigentlich wirklich schon im Buch der Rekorde stehen, was ich am Tag für Kilos rumschleppe. Ein Gewichtheber, der stemmt einmal 200 Kilo. Dafür klatschen die Leute. Ich muss damit den ganzen Tag rumlaufen. Es sind jetzt nicht mehr mit 210 Kilo. Jetzt sind es 170. Aber es ist auch so viel, da klatscht auch niemand Beifall. Ich kriege dann eher Vorwürfe und das finde ich eigentlich nicht fair.

Anja Roth Das stimmt. Und man kann ja seine Schritte auch spenden. Also um diese Weltumrundung zu schaffen. Aber ich glaube, einmal haben sie es schon geschafft dieses Jahr. Habe ich gelesen.

Melanie Bahlke Genau am 3. März haben wir sie zum ersten Mal umrundet und jetzt sind wir auf der zweiten Runde. Und ich bin ganz ehrlich, ich war da ein bisschen nachlässig, weil ich einfach auch jetzt krank war. Da muss ich auch ein bisschen mehr Gas geben. Und es war wirklich so, jeder macht die Schritte, die er mag und kann und geht dann auf die Homepage, trägt seine Schritte ein und mittlerweile können wir auch mit Fahrrad mit ihm Kanu oder ob man schön praktisch die Bewegungseinheiten eintragen und dann praktisch mitmachen. Weil ganz oft habe ich letztes Jahr dann praktisch gehört: “Das ist ja alles ganz toll mit dem Laufen, aber ich kann nicht so laufen, aber ich kann Fahrradfahren oder schwimmen. Und wir gesagt okay, dann sollten wir das einfach den Patienten oder den Betroffenen den Wunsch erfüllen, dass es das auch eintragen können. Und ja, dass man sich ein bisschen mehr in die Welt tragen, das stimmt. Aber es ist eigentlich auch so, dass man vielleicht auch als Nichtbetroffener auch mitmachen kann, weil man einfach die Menschen unterstützen möchte und sagen möchte “Ich finde das toll und nein, ihr seid nicht faul”. Und da hatte ich auch zum Beispiel letztes Jahr auch zwei Ärzte, die mitgemacht haben und jetzt auch Anja.

Anja Roth Genau, ich habe Schritte gespendet.

Melanie Bahlke Ja, und wirklich toll. Ja, sie hat mich wirklich zu Tränen gerührt, weil an dem Tag auch dieser Diabetes Lauf war und ich habe dann einfach gesehen, wie viel Menschen für Diabetes laufen, ohne irgendwie groß drüber nachzudenken. Und wenn ich sage, spende doch mal Schritte für March 4 Obisety für Adipositas, dann kommt: “Ja, warum sollte ich das tun?” Warum fragt man da so etwas? Das fand ich schlimm. Und deswegen hat Anja meinen Tag gerettet. Ich habe ehrlich gesagt geheult und hier und da hats mich echt sehr glücklich gemacht. Dann vielen Dank noch mal!

Anja Roth Ja, also ihr könnt jederzeit meine Schritte haben. Also ich habe es nicht gewusst, dass man die spenden kann. Und als ich es gehört habe, dass das möglich ist, klar, natürlich auf jeden Fall. Und das war auch wirklich der Moment, der mich da so ein bisschen ins Nachdenken gebracht hat, als du gesagt hast “Ja, für Diabetiker, da laufen alle, aber für Adipositas wird das keiner machen”. Das hat mich fast zu Tränen gerührt. Also wahrscheinlich hast du da sogar recht. Und das ist natürlich auch nicht richtig. Deswegen ich habe mir überlegt, ich bin mit dem Fahrrad hier nach Bonn gefahren und dann spende ich heute Abend meine Rundfahrt.

Sophie Samrock Das klingt doch gut. Auch für unsere Hörerinnen und Hörer können wir es ja noch mal verlinken. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr euch eure Schritte, Fahrradtouren oder was auch immer spenden. Ja.

Melanie Bahlke Ja und vielleicht auch einfach mal Fotos davon machen. Das zum Beispiel war etwas, was ich total schön fand. Wenn ich dann praktisch mit anderen Leuten bin, die dann geschrieben haben, ich bin Bewegungsbotschafter und die haben dann Fotos gezeigt, wo sie gelaufen sind oder mal ein Schattenbild. Und das fand ich eigentlich total schön, weil man dann gesehen hat, das ist toll, die Leute gehen raus.

Anja Roth Ja, also ich werde das auch in meine Beratungseinheit demnächst mehr integrieren, dass ich meine Leute darauf aufmerksam mache, dass sie ihre Schritte spenden. Und ich glaube, das motiviert auch ein bisschen, wenn man Teil des Ganzen sein kann. Lass uns mal noch ein bisschen zum Thema Essen und Trinken sprechen. Wir sind ja eigentlich ein Süßstoff Kanal.

Sophie Samrock Ernährungspodcast *lacht*

Anja Roth Gerade deswegen auch haben wir dich ja auch eingeladen, weil Adipositas eben nicht nur mit Essen zu tun hat, sondern eben ganz viele Faktoren eine Rolle spielen. Und du hattest mal so eine Kampagne auf Instagram, “schenkt Zeit statt Schokolade”. Und ist das so? Ist das für dich so ein wichtiger Punkt, dass du sagst, dass sich der Umgang mit Lebensmitteln wirklich ändern muss? Oder war das mehr auf die Kalorien bezogen, oder was? Was war der Hintergrund für die die Kampagne?

Melanie Bahlke Wir haben einen ganz komischen, gestörten Umgang mit Ernährung, gerade zum Beispiel so an Feiertagen. Ich meine, ich esse auch gern mal ein Stück Schokolade, ich mag Schokolade. Also das ist jetzt nicht das Thema. Es ist immer so, zum Beispiel Ostern, Weihnachten, Nikolaus oder überhaupt so Sachen an Tagen, wo man sich was schenkt. Da wird immer unheimlich viel Schokolade verschenkt. Das ist schnell zu haben, es ist billig und praktisch nach dem Motto: Ich habe meine Schuldigkeit getan mit Schokolade. Und für mich war das erschreckend. Zum Beispiel meine Tochter, die war damals vier Jahre alt. Es war Ostern und da kriegt das Kind 23 Osterhasen.

Anja Roth & Sophie Samrock Wow.

Melanie Bahlke Ja, da kriegt man von der Oma, da kriegt man von der Tante, von dem Nachbar, vom Kindergarten. Und ich habe das alles aufgehoben und habe mir gedacht, so, und wenn ich das alles meinem Kind gebe, dann kommt der in den nächsten vier Wochen der Vorwurf “Also dein Kind muss abnehmen, du musst aber mal gucken”. Und keiner hat eigentlich so einen Blick, was er vielleicht selbst verschenkt hat, dass er vielleicht selbst mit daran ein Stückchen Schuld trägt und es wäre schöner, mit dem Menschen vielleicht einfach Zeit zu verbringen, anstatt an solchen Tagen einfach zu Schokolade zu greifen. Vielleicht mal ein schönes Selfie machen oder einfach mal spazieren gehen oder Enten füttern oder sonst was.

Anja Roth Damit die Enten fett werden, oder was? *lacht*

Melanie Bahlke Nein, aber das sind einfach solche Sachen, die mich als Kind schon immer betroffen gemacht haben. Ich habe von jemandem Schokolade geschenkt bekommen und drei Wochen später habe ich dann gesagt jetzt musst du Diät machen. Das ist so konträr das Programm. Und ich habe ganz oft gedacht: “Haben die vergessen, dass sie mir die Schokolade gekauft haben?” Und das war halt so quasi der Hintergrund. Also ich habe nichts dagegen, ab und zu mal Schokolade. Ich mache das auch und mein Kind darf auch mal Schokolade essen. Aber es ist halt einfach dieser bewusste Umgang.

Anja Roth Genau. Also das habe ich auch so verstanden, dass du denn eher den Umgang mit den Lebensmitteln und dann eben auch den entsprechenden Genuss daran in den Vordergrund und stellst.

Melanie Bahlke Lieber weniger, aber mit Genuss und Spaß und Freude als im Überfluss. Und ja, man sitzt halt auch ganz gerne als Belohnung ein. Und das finde ich halt ganz schrecklich. Nahrungsmittel oder Lebensmittel und keine Belohnung.

Anja Roth Es ist ja nicht nur die Schokolade, es sind ja dann auch Bonbons, Lutscher und so! Das ist so vielfältig, was man da schon mal verschenkt oder zur Belohnung nimmt. Was denkst du denn wie, wie sinnvoll sind zuckerfreie Alternativen zu haben?

Melanie Bahlke Also für mich immer im Leben ist das ein wichtiger Bestandteil. Gerade zum Beispiel auch das Thema Supplementation nach Adipositas Chirurgie, da stecken ganz, ganz viele Ersatzstoffe drin, denn das muss ja auch irgendwie mal schmecken. Und süß ist ein anerzogener Geschmack, der bei uns in Europa eigentlich immer mit drin ist. In anderen Ländern ist das anders. Nur der Geschmack und den kannst du nicht einfach weglassen. Das ist negativ, dass es böse ist. Das macht auch Angst und vielleicht auch ein bisschen wütend. Und da ist halt Zucker Ersatzstoff eine tolle Alternative. Vor allen Dingen, der ist so vielfältig, dass jeder sich eigentlich aussuchen kann, wie viel Süße er braucht. Und unheimlich viele Varianten. Und das ist etwas, was ich ganz, ganz toll finde, dass man uns nicht uns immer den bösen Finger zeigt, sondern auch, dass Alternativen geboten werden.

Sophie Samrock Auf welche Alternativen greifen Sie da im Alltag zurück? Ist es dann zum Beispiel der Süßstoff im Kaffee oder sind das andere Varianten?

Melanie Bahlke Also bei mir sind in meinen Supplementen, in meinem Kalzium, in meinem Multivitaminpräparaten, da ist überall Süßstoff drin. Und das ist auch was, dass es zum Beispiel für mich einfach ein bisschen angenehmer macht. Also zum Beispiel, ich habe dann Sachen, die auch lecker schmecken. Also das ist nicht so diese Tablette, die ich einfach reinschmeißen, die nicht sehr lecker ist, sondern das sind leckere, zum Teil Bonbons, die Maoams quasi, die ich dann kauen kann und das ist echt was, wo ich dann auch sage: “okay, ich brauche dann auch keine Schokolade mehr. Und das ist was, dass mir unheimlich viel Druck auf meinem Leben nimmt.

Anja Roth Ja, also Genuss ist ja sowieso was Feines.

Sophie Samrock Ja, sollte es sein.

Anja Roth Ja, vielen, vielen Dank, Melanie, dass du uns so tolle Einblicke in dein Leben und auch in deine Arbeit, deine Ehrenamtliche…Das habe ich noch vergessen zu sagen. Da hast du auch was. Du hast auch letztens eine Auszeichnung für bekommen. Wie war das, zehn Jahre Ehrenamt?

Melanie Bahlke Mensch, ja, also insgesamt sind wir jetzt 16.

Anja Roth Ja, wir könnten noch Stunden über dich und deine Aktivitäten reden, aber immerhin haben wir einen kleinen Einblick darein bekommen. Da freuen wir uns drüber, dass wir so viel lernen durften.

Sophie Samrock Ja, es war sehr spannend

Melanie Bahlke Vielen, vielen Dank.

Anja Roth Und werden da auf jeden Fall auch ganz doll die Werbetrommel rühren für dich und deine Aktivitäten und vor allen Dingen auch für deine Mitstreiter, die ich ja auch zum Teil von den Messen und Veranstaltungen kenne. Und wir hoffen, dass ihr es, ach ich sage mal um die 20-mal, um die Welt schafft.

Melanie Bahlke Ich möchte noch zum Mond *lacht*

Anja Roth Du möchtest noch zum Mond

Melanie Bahlke Einmal schwerelos.

Anja Roth Man muss Ziele haben. Genau, man muss Ziele haben. Auch daran arbeiten wir dann. Und ja, vielen lieben Dank, dass du für uns da warst.

Melanie Bahlke Vielen Dank, dass ich da sein durfte.

Sophie Samrock: Dann kommen wir jetzt zu unserem Faktencheck.

Stimme Süß und knackig.

Sophie Samrock Fakt 1: Wer mit dem Gedanken spielt, sich einem Adipositas Eingriff zu unterziehen, findet bei der Adipositas Chirurgie Selbsthilfe Deutschland die richtigen Ansprechpersonen.

Sophie Samrock Fakt 2: Wir alle können und müssen etwas gegen die Stigmatisierung von Adipositas Betroffenen tun. Egal ob Betroffene, behandelnde Freunde oder Familie.

Sophie Samrock Fakt 3: Süßer Genuss bedeutet ein Stück Lebensqualität. Trotzdem ist ein achtsamer Umgang vor allem mit Kalorien haltigen Lebensmitteln wichtig.

Sophie Samrock Ja, dann auch nochmal von mir vielen Dank für Ihre Zeit und die ehrlichen Einblicke. Und an alle Hörerinnen und Hörer Vielen Dank, dass ihr wieder dabei wart. Wir freuen uns, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder einschaltet.

Bis dahin macht’s gut. Tschüss, liebe Frau Bahlke und tschüss, liebe Anja.

Anja Roth Ja, die Sophie. Und tschüss, Melanie!

Sprecher Das war so was Süßes der Experten Podcast rund um das Thema Süße Ernährung. Die Links zu unserem So Süß Video Social-Media-Kanälen sowie zu unserer Website findest du in den Shownotes dieser Folge.