Reagenzglas und Ratte versus Realität: Begünstigen Süßstoffe Diabetes?

Reagenzglas und Ratte versus Realität: Begünstigen Süßstoffe Diabetes?

Unter der Überschrift „The Influence of Sugar and Artificial Sweeteners on Vascular Health during the Onset and Progression of Diabetes“ (z. Dt.: „Der Einfluss von Zucker und Süßstoffen auf die Gefäßgesundheit während des Auftretens und des Fortschreitens von Diabetes“) stellte am 22.April 2018 eine Arbeitsgruppe aus Wisconsin im Rahmen einer Posterpräsentation ihre Arbeit vor, die die bisher vorliegenden Studien zum positiven Zusammenhang von Süßstoffen, Gewichtskontrolle und Diabetes in Frage zu stellen scheint.

Dabei handelt es sich bei der auf dem Kongress „Experimental Biology”von Hoffmann et al vorgestellten Studie (1) um eine experimentelle Zellstudie, d.h. die Versuche wurden auf Zellebene in-vitro (im Glas) durchgeführt. Unberücksichtigt bleibt bei solchen Studien u.a. die Wechselwirkung zwischen Zelltypen und die Möglichkeit der strukturellen Veränderung des Wirkstoffs durch den Körper (2). So ist der Ansatz, die Exposition gegenüber Süßstoffen außerhalb eines lebenden Organismus zu untersuchen sehr fraglich. Auch die Übertragbarkeit der Studienergebnisse aus Rattenstudien auf den Menschen ist mehr als strittig – vor allem, weil die Tiere sehr hohe Mengen an Süßstoff erhielten und zudem besonders empfänglich für die Ausbildung eines Diabetes waren. In jedem Fall können Ergebnisse dieser Art von Studien nicht die Ergebnisse von gut konzipierten, kontrollierten Humanstudien ersetzen.

Im Hinblick auf eine Interpretation der Ergebnisse muss zudem berücksichtigt werden, dass es zu dieser Arbeit bisher keine Veröffentlichung in einer von Experten begutachteten wissenschaftlichen Zeitschrift gab. Die Beurteilung durch Experten, die die Methoden und Ergebnisse überprüfen und die klinische Signifikanz der Befunde bewerten, steht also noch aus. Dabei ist es von der wissenschaftlichen Gemeinschaft allgemein anerkannt, dass es entscheidend ist, sowohl vorzeitige Schlussfolgerungen zu vermeiden, die aus einer einzelnen Forschungsstudie resultieren – insbesondere wenn nur wenige Details verfügbar sind – ohne die gesamte Evidenzlage zu betrachten.

Außerdem unterstützen auch die Ergebnisse einer Reihe gut konzipierter Humanstudien die Tatsache, dass Süßstoffe – inklusive Aspartam und Acesulfam-K – die Blutzuckerkontrolle weder bei gesunden Personen, noch bei Diabetespatienten beeinträchtigen (z. B. durch die direkte Beeinflussung der Gesamtinsulinausschüttung, Glukoseaufnahme und/oder Glukoseverwertung oder durch Auswirkungen auf die Inkretine).(3)

Auch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)(4) bestätigt durch die Vergabe eines Health Claims, dass “der Konsum von Nahrungsmitteln mit Süßstoffen statt Zucker zu einem geringeren Blutzuckeranstieg nach Nahrungseinnahme führt, als der Konsum zuckerhaltiger Lebensmittel”.

Dass die Verwendung von Süßstoffen, anstelle von Zucker eine hilfreiche Strategie für Diabetiker sein kann und für die Blutzuckerkontrolle von grundlegender Bedeutung ist, ergibt sich schon alleine aus der Tatsache, dass Süßstoffe keine Kohlenhydrate enthalten. In ihren Richtlinien für 2017 (‘Standards of Medical Care in Diabetes’)(5) unterstützt die American Diabetes Association (6) die Aussage, dass “Süßstoffe das Potenzial haben, die Gesamtaufnahme von Kalorien und Kohlenhydraten zu verringern.” Süßstoffe in Lebensmitteln und Getränken sowie als Süßungsmittel in Form von Tabletten, Flüssig- oder Streusüße als Teil einer gesunden Ernährung können Diabetiker ihre Nahrungsmittelauswahl versüßen und ihre Blutzuckerkontrolle unterstützen.

Die vorliegenden Studie, die auf einer Fülle gut durchdachter Forschung beruhen, unterstützen, dass alle zugelassenen Süßstoffe dazu beitragen können, die Kalorien- und Zuckeraufnahme sicher zu senken. Sie können ein nützliches Werkzeug im Ernährungs- und Gewichtsmanagement sein.

Weitere Informationen zu den Themen Süßstoffe, Diabetes und Gewichtsmanagement finden Sie in unserer Verbraucherbroschüre im Download-Bereich.


Quellenangaben
  • 1 Poster session (603. Diabetes, Insulin resistance and Obesity I), 22 April 2018. Experimental Biology 2018
  • 2 Magnuson, B.A.,Carakostas, M.C., Moore, N.H., Poulos, S.P., Renwick, A.G. (2016). Biological fate of low-calorie sweeteners. Nutrition Reviews, 74(11): 670-689
  • 3 Grozt et al. Regulatory Toxicology and Pharmacology 2017; Bryant and McLaughlin Physiol Behav 2016; Romo-Romo et al. PLoS ONE 2016; Bryant et al. Eur J Clin Nutr. 2014; Brown et al. Nutr Res 2011; Renwick and Molivary. Br J Nutr 2010; Grotz et al. J Am Diet Assoc, 2003
  • 4 EFSA Scientific opinion on the substantiation of health claims related to intense sweeteners. EFSA Journal 2011; 9: 2229
  • 5 ADA® 2017 Standards of Medical Care in Diabetes. Diabetes Care 2017; 40 (S1): S33-S43
  • 6 Gardner C, et al. Nonnutritive sweeteners: current use and health perspectives: a scientific statement from the American Heart Association and the American Diabetes Association. Diabetes Care. (2012) Aug;35(8):1798-808

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Anja RothÖFFENTLICHKEITSARBEIT DEUTSCHLAND

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