In der Statistik entsteht ein Floor- oder Boden-Effekt, wenn ein Messinstrument eine Untergrenze hat, die es nicht ermöglicht, Unterschiede bei niedrigen Werten zu erkennen, da ein Großteil der Teilnehmer am unteren Ende der Skala punktet. Dies führt zu einer Konzentration der Daten nahe der Minimalpunktzahl. Dadurch wird die Aussagekraft der Messung eingeschränkt und die Variabilität reduziert. Tatsächliche Unterschiede in der Fähigkeit oder dem Zustand der Personen werden nicht erfasst.
Lassen Süßstoffe das Gehirn schneller altern?
Süßstoffe und kognitiver Verfall: Neue Beobachtungsstudie belegt keinen kausalen Zusammenhang
Die Veröffentlichung der brasilianischen Studie „Not so sweet: Some sugar substitutes linked to faster cognitive decline“ (1) in der Fachzeitschrift Neurology hat große mediale Aufmerksamkeit erregt. Aber was ist dran an den Schlagzeilen?
Wichtig zu wissen: Bei dieser Studie handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die lediglich einen statistischen Zusammenhang, jedoch keine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung aufzeigen kann. Das heißt, der berichtete Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und kognitivem Verfall beweist nicht, dass das eine das andere verursacht hat.
Die Autoren selbst sagen, dass sich aus den Ergebnissen keine kausalen Schlussfolgerungen ableiten lassen. Zudem können die Ergebnisse durch viele Störfaktoren beeinflusst werden, darunter die allgemeinen Ernährungsgewohnheiten, der Lebensstil und andere Gesundheitszustände. Darüber hinaus sind die beobachteten Differenzen zwar statistisch signifikant, aber so gering, dass sie keine klinische bzw. praktische Relevanz besitzen
Studiendesign und Datenqualität – methodische Limitationen der Studie
Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen zudem die spezifischen Einschränkungen der Studie beachtet werden:
- Die Studie stützt sich auf einen Selbstbericht zur Erfassung von Ernährungsdaten. Diese Methode ist oft ungenau und kann zu erheblichen Verzerrungen führen.
- Die Unterschiede zwischen Baseline (Ausgangswert) und höchstem Terzil (oberes Drittel der Teilnehmenden) sind zwar statistisch signifikant, aber so gering, dass sie keine klinische/praktische Relevanz besitzen.
- Die Ernährungsdaten wurden nur einmal zu Beginn der Studie vor acht Jahren erhoben. Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten und Produktzusammensetzungen im Laufe der Zeit blieben unberücksichtigt.
- Es wurden Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in die Studie einbezogen. Alkoholkonsum und Stress wurden aber nicht berücksichtigt.
- Alle Süßungsmittel, d.h. sowohl hochintensive Süßstoffe als auch Zuckeraustauschstoffe, wurden in einem einzigen Wert zusammengefasst, obwohl sie alle sehr unterschiedliche Eigenschaften und zugelassene Verwendungsmengen haben.
- Bei der Aufnahme dominierten die Zuckeraustauschstoffe, während die Aufnahme von Aspartam, Acesulfam-K und Saccharin selbst in der Gruppe mit hohem Konsum sehr gering war (in der Größenordnung von 1–2 % der jeweils zulässigen Tagesdosis (ADI-Wert).
- Auch wenn bei der Aufnahmemenge Sorbitol dominierte, waren die aufgenommenen Mengen an Zuckeraustauschstoffen sehr gering, d.h. Mengen im Milligrammbereich.
- Diese Werte deuten auf einen begrenzten und engen Expositionsbereich und eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Floor-Effektes hin, der die Ergebnisse verzerren kann. Floor-Effekte verzerren statistische Modelle und können zu falsch positiven Ergebnissen führen (2).
EFSA, FDA und JECFA bestätigen die Sicherheit von Süßstoffen
Die Sicherheit von Süßstoffen wurde von führenden globalen Gesundheitsbehörden wiederholt bestätigt. Dazu gehören die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die US-amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) sowie der Gemeinsame Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Diese Organisationen führen umfassende Sicherheitsbewertungen durch, die sich auf die Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen und nicht nur auf eine einzelne Studie.
Literatur:
(1) Association Between Consumption of Lowand No-Calorie Artificial Sweeteners and
Cognitive Decline – An 8-year prospective study. Goncalves et al Neurology. 2025;105:e214023. https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000214023.
(2) Drewnowski A, Fulgoni VL 3rd. Should Atypical and Non-Representative Studies Such as NutriNet Santé Be Used to Drive Public Health Policy? Nutrients. 2025 Aug 8;17(16):2581. https://doi.org/10.3390/nu17162581.

Anja RothÖFFENTLICHKEITSARBEIT DEUTSCHLAND
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